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Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel über

Die komplexen Herausforderungen bei der Integration erneuerbarer Energien in städtische Infrastrukturen

und die zentrale Bedeutung intelligenter Netzsteuerung für die Energiewende

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Bernd Engel leitet das elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme der TU Braunschweig. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann mit einem Studium der allgemeinen Elektrotechnik an der TU Darmstadt und Promotion an der TU Clausthal. Danach wirkte Professor Engel zunächst einige Jahre in leitender Position für die heutige ALSTOM Transport Deutschland GmbH und die SMA Solar Technology AG, bevor er 2011 einen Ruf an die TU Braunschweig erhielt. Seither lehrt und forscht er als Universitätsprofessor im Fachgebiet Komponenten nachhaltiger Energiesysteme am elenia Institut für Hochspannungstechnik und Energiesysteme.

Prof. Engel zählt heute zu den renommierten Experten für Energienetze und deren Transformation. Sein besonderer Fokus auf die Integration erneuerbarer Energien und Elektromobilität spielt auch im Projekt C2T eine bedeutende Rolle: Hier unterstützt sein Team das Vorantreiben der Energiewende durch die Entwicklung nachhaltiger Energiesysteme in Smart-City-Infrastrukturen mit Fokus auf die Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung auf die Stromnetze.

Wir sprechen mit ihm über das Projekt C2T, die komplexen Herausforderungen bei der Integration erneuerbarer Energien in städtische Infrastrukturen und die zentrale Bedeutung intelligenter Netzsteuerung für die Energiewende.

Herr Professor Engel, das elenia Institut befasst sich intensiv mit Netzinfrastrukturen und deren Digitalisierung. Was fasziniert Sie persönlich an der Transformation unserer Energiesysteme?

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Der bisher einigermaßen erfolgreiche Klimaschutz in Deutschland – Reduzierung der Treibhausgase um 48 % gegenüber 1990 – basiert im Wesentlichen auf den Ersatz der fossilen Kraftwerke im Stromsektor durch die erneuerbaren Energien Wind, Photovoltaik und Biogas. Dadurch können zur CO2-Minderung die Sektoren Verkehr, Gebäude und Industrie elektrifiziert werden – im Rahmen der sogenannten Sektorenkopplung.

Dadurch dass die über 4 Millionen Photovoltaikanlagen, inzwischen auch meist mit Batteriespeicher installiert, die Wallboxen für die Elektroautos und die Wärmepumpe vor allem im Niederspannungsnetz installiert werden, gibt es dort einen besonderen Bedarf an Steuerung mittels Digitalisierung, um den Netzausbaubedarf durch die neuen Verbraucher und Erzeugungsanlagen in Grenzen zu halten. Mich fasziniert, dass bei diesem rasanten Umbau des Energiesystems immer neue wissenschaftliche Herausforderungen entstehen.“

„Im Projekt C2T soll die Bahnstadt Braunschweig als Reallabor für vernetzte Wärme- und Kältenetze dienen. Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie bei der Integration verschiedener Technologien in bestehende Netzinfrastrukturen?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Wir am elenia fokussieren uns ja auf die Stromnetze, deswegen würde ich mich darauf beschränken. Das Stromnetz in der Bahnstadt muss für dieses klimaneutrale Quartier mit auf das Zusammenspiel von Photovoltaik-Anlagen, Batteriespeicher, große und kleine Wärmepumpen und die Elektromobilität mit ihren Ladepunkten ausgelegt sein. Die zentrale Frage für uns dabei ist: Wie kann durch Digitalisierung Kupfer und Aluminium in den zu verlegenden Stromkabeln gespart werden?“

„Ein Kernaspekt des Projekts ist die Kopplung von Strom- und Wärmenetzen. Welche Rolle spielen dabei Technologien wie Großwärmepumpen und Power-to-Heat-Anlagen?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Meine persönliche Einschätzung: Sie spielen eine sehr große Rolle! Während die Wärmepumpen im Eigenheimbereich etabliert sind, müssen für die Wärmeversorgung eines ganzen Quartiers über lokale Wärmenetze mit Großwärmewärmepumpen und anderen Power-to-Heat-Anlagen noch Erfahrungen gesammelt werden. Neben der Netzintegration sind auch Forschungsfragen zu klären, wie solche Anlagen im großen Maßstab in ein klimaneutrales Energiesystem energiewirtschaftlich passen und betrieben werden können.  Des weiteren benötigt die intelligente Steuerung des Zusammenspiels dieser Anlagen fähige Kommunikationstechnologien, die auch die Auslastung der Infrastruktur zu verbessern in der Lage sind.“

„Im Projekt treffen Komponenten mit sehr unterschiedlichen Lebenszyklen aufeinander – von langlebigen Netzinfrastrukturen bis zu kurzlebiger IoT-Technologie. Wo sehen Sie hier die besonderen Herausforderungen?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Natürlich haben Netzinfrastrukturen mit Lebensdauern von 30-50 Jahren andere Lebenszyklen als Digitalisierungstechniken von 10-20 Jahren. Da stellt sich die Forschungsfrage, wie die Schnittstellen zu Steuerung so offen gestaltet werden können, dass der Fortschritt der Digitalisierungstechnik – bis hin zur KI! – nicht gebremst wird.“

„Ein wichtiger Aspekt ist die Resilienz der Energieversorgung. Wie kann die Versorgungssicherheit auch bei zunehmender Vernetzung und Digitalisierung gewährleistet werden?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Generell ist ein dezentrales Energiesystem mit heterogener Struktur resilienter als ein zentral versorgtes und gesteuertes Energiesystem, wenn gewisse Grundsätze der CyberSecurity eingehalten werden. 

Prinzipiell sollte die exemplarische Digitalisierung der Strom- und Wärmekomponenten in der Bahnstadt erst mal keinen negativen Effekt auf die Versorgungssicherheit haben.

Denn wenn die Vernetzung an einer Stelle doch mal ausfallen sollte, greifen Backup-Systeme, die sicherstellen, dass genügend Wärme und Strom bei den Haushalten ankommt. Wir als elenia werden dabei im Projekt untersuchen, dass es durch die zusätzliche Vernetzung ganz einfach wird, die Auslastung im Strom- und Wärmenetz zu beobachten und so Überlastungen sehr effektiv zu vermeiden – was wiederum Ausfallzeiten reduziert“

„Das elenia Energy Lab wird für erste Demonstratoren im Bereich Wärmeerzeugung und Elektromobilität genutzt. Welche konkreten Tests und Erprobungen sind dort geplant?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Im Rahmen von C2T wollen wir Arbeiten an unserem Wärmepumpen-Teststand und den Ladesäulen vornehmen. Dazu kommen die Firmen Ochsner und CUBOS auch zu uns ans Institut, um ihre Anlagen in den elenia Energy Labs zu testen; also die Betriebsführung durchzuspielen, bevor es an die Umsetzung in der Bahnstadt geht.

Ein bedeutender Teil davon ist auch die Erprobung der Konnektivität, das heißt wir wollen hier im Labor feststellen, ob die Geräte passend im System miteinander interagieren, Daten austauschen, an die Plattform angebunden sind.“

„Sie arbeiten im Projekt eng mit der Ochsner Process Energy Systems GmbH als Hersteller von Großwärmepumpen zusammen. Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von dieser Kooperation?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Wir erhoffen uns eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen der Firma Ochsner als einem Technologieführer bei Großwärmepumpen und für thermisches Know-How und uns am elenia, die wir über eine große Erfahrung auf dem Gebiet der Netzintegration verfügen. Unsere Forschungsfrage ist: Wie kann eine Großwärmepumpe netz- und systemdienlich betrieben werden? 

Zusätzlich erhoffen wir uns, wenn eine Firma wie Ochsner mit einer Wärmepumpe an unseren Teststand ans Institut kommt, dass wir gegenseitig profitieren und auch unseren Teststand mit deren Expertise weiterentwickeln und verbessern können.“

„Die Transformation der Wärmenetze erfordert auch neue Betriebsführungsstrategien. Welche Rolle spielen dabei KI-basierte Steuerungsansätze?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Das elenia entwickelt in verschiedenen Forschungsprojekten unter anderem Verfahren der künstlichen Intelligenz (KI) im Bereich Prognose. Auf der anderen Seite verwenden wir für Betriebsführungsstrategien, bei denen wir physikalische Modelle der Anlagen haben („digitaler Zwilling“), gerne auch mathematische Optimierungen, um die wirtschaftlich beste Fahrweise zu erhalten. 

Wir prüfen weitere Anwendungen für KI, wobei die Herausforderungen der kritischen Infrastruktur „Stromnetz“ beachtet werden muss.“

„Das Projekt hat Modellcharakter für andere Städte. Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Erfolgsfaktoren für eine gelingende Wärme- und Kältenetzwende?“

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Engel: „Weitere Kriterien für ein Hochskalieren auch auf andere Städte sind neben dem Nachweis der reinen Machbarkeit und einem störungsfreien Betrieb wichtig:

Dazu zählt die Wirtschaftlichkeit, wobei steigende CO2-Preise für alle Stakeholder berücksichtigt werden müssen, z. B. Kommunen, Infrastrukturbetreiber, Wohnungsbaugesellschaften, Wohnungseigentümer und -mieter.

Außerdem, und darauf fokussieren wir uns in diesem Projekt, soll eine sinnvolle Netz- und Systemintegration in das elektrische Energiesystem vorgenommen werden.“