Prof. Dr. Simone Kauffeld über
Die psychologischen Aspekte der digitalen Transformation städtischer Infrastrukturen
und wie das Zusammenspiel von technischer Innovation und menschlichen Bedürfnissen gelingen kann

Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld leitet seit 2007 den Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der Technischen Universität Braunschweig. Nach ihrem Studium der Psychologie an den Universitäten Koblenz-Landau und Marburg sowie Tätigkeiten in der Wirtschaft hat sie sich in der Forschung insbesondere mit den Themen Kompetenzentwicklung, Team und Führung sowie Veränderungsprozesse in Organisationen auseinandergesetzt. Im Projekt C2T bringt sie mit ihrem Team ihre wissenschaftliche Expertise ein, um die technologische Transformation der Bahnstadt zu einem Prozess zu machen, der von den Menschen aktiv mitgestaltet wird und ihren Bedürfnissen dient.
Wir sprechen mit ihr über die psychologischen Aspekte der digitalen Transformation städtischer Infrastrukturen und wie das Zusammenspiel von technischer Innovation und menschlichen Bedürfnissen gelingen kann:
„Frau Prof. Kauffeld, Sie waren nach Ihrem Studium zunächst als Organisationsentwicklerin in einem Großunternehmen tätig, bevor Sie in die Forschung gingen. Was hat Sie ursprünglich zur Psychologie gebracht und was fasziniert Sie noch heute an der Arbeit mit und für Menschen?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Schon früh hat mich das Verhalten von Menschen in Organisationen fasziniert – wie sie zusammenarbeiten, wie sie Entscheidungen treffen und wie sich Strukturen auf das Wohlbefinden und die Leistung auswirken. Während meiner Tätigkeit als Organisationsentwicklerin wurde mir bewusst, wie groß der Einfluss psychologischer Erkenntnisse auf die Praxis sein kann. Ich konnte direkt erleben, wie Veränderungen gestaltet werden und welche psychologischen Mechanismen dabei eine Rolle spielen. In der Forschung begeistert mich besonders, dass wir nicht nur bestehende Prozesse besser verstehen, sondern auch dazu beitragen können, Arbeitsbedingungen nachhaltiger, gesünder und produktiver zu gestalten. Die Möglichkeit, wissenschaftliche Erkenntnisse mit der Praxis zu verbinden und damit einen echten Mehrwert für Menschen und Organisationen zu schaffen, motiviert mich bis heute.“
„Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit Veränderungsprozessen in Organisationen. Was macht die Transformation städtischer Infrastrukturen zu einer besonderen Herausforderung – technisch wie menschlich?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Die Transformation städtischer Infrastrukturen ist besonders herausfordernd, da sie technische Komplexität mit menschlichen Veränderungsprozessen verbindet. Technisch müssen neue Technologien in bestehende und vernetzte Systeme integriert werden, oft unter Nachhaltigkeits- und Resilienzanforderungen. Menschlich stößt Wandel auf Unsicherheiten und Widerstände. Veränderungsbereitschaft, klare Kommunikation und Partizipation sind daher essenziell. Um Veränderungsbereitschaft aufzubauen, nutzen wir bspw. das Konzept der motivierenden Gesprächsführung, bei dem durch gezielte Fragen, aktives Zuhören und wertschätzendes Feedback die intrinsische Motivation der Beteiligten gestärkt wird, sodass sie eigene Gründe für den Wandel erkennen und sich aktiv am Veränderungsprozess beteiligen.“
„Im Projekt C2T arbeiten viele unterschiedliche Akteure zusammen – von Stadtwerken über Technologieanbieter bis zu den Bürgern. Wie stellen Sie sicher, dass alle Beteiligten sich einbringen können und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Im Projekt C2T setzen wir auf eine zielgruppenorientierte Ansprache, um sicherzustellen, dass sich alle Akteure – von Stadtwerken über Technologieanbieter bis zu den Bürgern – einbringen können. Durch maßgeschneiderte Kommunikationsformate, die auf die Bedürfnisse und Interessen der jeweiligen Gruppen zugeschnitten sind, erreichen wir eine breite Beteiligung, wie beispielsweise bei den betroffenen Bürger:innen. Zudem schaffen wir Anreize zum Mitmachen, etwa durch sichtbare Mehrwerte für die Teilnehmenden wie die Nutzung von energiefreundlichen Geräten oder niedrigschwellige Beteiligungsmöglichkeiten. Ergänzt wird dies durch eine offene Gesprächskultur, durch die wir sicherstellen, dass alle Perspektiven berücksichtigt und tragfähige Ergebnisse erzielt werden.“
„Eine wichtige Rolle spielt das Vertrauen in neue Technologien. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht entscheidend für die Akzeptanz der Transformation und wie kann das Projekt dieses Vertrauen aufbauen?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Transparenz und Partizipation sind hier relevante Stichworte. Menschen akzeptieren Veränderungen eher, wenn sie frühzeitig und umfassend informiert werden. Die Ziele, Maßnahmen, erwartete Vorteile und auch potenzielle Herausforderungen sollten deutlich gemacht werden, um Vertrauen in neue Technologien zu fördern. Am besten funktioniert eine solche Transformation, wenn die Betroffenen aktiv in Entscheidungsprozesse einbezogen werden. In der Bahnstadt würde dies beispielsweise bedeuten, die Anwohner*innen zu ihren Bedürfnissen zu befragen und aufbauend darauf in die Planung des Technologieeinsatzes zu gehen. Genau das haben wir im C2T-Projekt vor: Wir möchten aktiv in die Kommunikation mit beteiligten Unternehmen, Bürger*innen und weiteren Akteur*innen gehen und diese untereinander vernetzen.“
„Das Projekt verbindet technische mit sozialen Innovationen. Wie kann die Arbeits- und Organisationspsychologie dazu beitragen, dass beides optimal zusammenspielt und die Menschen davon profitieren?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Die Arbeits- und Organisationspsychologie hilft, technische Innovationen so zu gestalten, dass sie akzeptiert, genutzt und sinnvoll in den (Arbeits-)alltag integriert werden. Durch partizipative Ansätze und Methoden wie die motivierende Gesprächsführung fördern wir Veränderungsbereitschaft und reduzieren Widerstände, beispielsweise bei den Anwohner:innen. Zudem unterstützen wir durch Formate wie Workshops, die den Austausch und die gemeinsame Entwicklung neuer Lösungen fördern. So entsteht ein Zusammenspiel von Technik und Akteuren – mit spürbarem Mehrwert für alle Beteiligten.“
„Ihre Forschungsgruppe bringt umfangreiche Erfahrung in der Gestaltung partizipativer Prozesse mit. Welche Lehren aus bisherigen Projekten sind für C2T besonders wertvoll?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „In unseren bisherigen Projekten haben wir immer wieder gesehen, dass es wichtig ist Mitarbeitende zu Gestaltern ihrer Arbeit und ihrer Organisation zu machen – gerade in disruptiven Zeiten. Dafür braucht es Transparenz, Wissen, Vertrauen und eine klare Struktur. Besonders wertvoll für C2T ist die Erkenntnis, dass erfolgreiche partizipative Prozesse dann gelingen, wenn sie von engagierten Akteurinnen und Akteuren gestaltet werden, die diese in ihre Organisationen oder Netzwerken weitertragen. Ein Beispiel hierfür ist die VeränderungsMacher*innen-Programm, das wir bereits in mehreren Projekten einsetzen und weiterentwickeln konnten. Die Grundidee ist es, dass ein Unternehmenstandem (die sogenannten VeränderungsMacher*innen) durch psychologische Anleitung über fünf Module dabei unterstützt und begleitet werden, Veränderungen in ihren Organisationen herbeizuführen (https://kauffeld-lorenzo.de/projects-archive/veraenderungsmacherin/). Dafür nutzen sie die psychologischen Methoden, die wir ihnen an die Hand geben. Unsere Erfahrung zeigt, dass „VeränderungsMacher*innen“ eine Schlüsselrolle spielen können, indem sie unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen, gute Lösungen finden, andere aktivieren und den Wandel aktiv vorantreiben. Gleichzeitig ist es wichtig, Strukturen zu schaffen, die diese Dynamik langfristig unterstützen. Dieses Wissen fließt auch in unsere Arbeit mit C2T ein, um nachhaltige und wirksame partizipative Prozesse zu gestalten.“
„Die Transformation betrifft den Alltag vieler Menschen. Wie geht das Projekt mit möglichen Ängsten und Vorbehalten um und wie wandelt es diese in konstruktive Energie um?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Im Projekt C2T begegnen wir Ängsten und Vorbehalten, indem wir diese frühzeitig anerkennen und offen ansprechen. Hier spielt die motivierende Gesprächsführung eine zentrale Rolle: Durch Methoden wie aktives Zuhören, gezielte Fragen und wertschätzendes Feedback helfen wir den Beteiligten, ihre eigenen Beweggründe für Veränderungen zu reflektieren und positive Aspekte zu erkennen.
Wir schaffen sichere Räume für Dialog, in denen Sorgen ernst genommen und gemeinsam Lösungen entwickelt werden können, wie besispielsweise auch in Workshops. Erfolgsbeispiele und praxisnahe Erfahrungen zeigen den Nutzen der Transformation auf und bauen so Unsicherheiten ab.“
„Ein Ziel des Projekts ist die spätere Übertragbarkeit auf andere Städte. Welche psychologischen und sozialen Aspekte müssen dabei besonders berücksichtigt werden?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Für die Übertragbarkeit auf andere Städte sind vor allem soziale Strukturen, bewährte Beteiligungsformate wie in unserem Fall unter anderem Workshops und flexible Anpassungsmöglichkeiten entscheidend. Das Projekt dient als Beispiel dafür, wie technische und soziale Innovationen erfolgreich zusammenspielen können. Wichtige Aspekte sind dabei der Umgang mit lokalen Gegebenheiten, die Zusammenarbeit verschiedener Akteure und die Akzeptanz neuer Lösungen.
Besonders hilfreich ist es, wenn andere Städte erfolgreiche Maßnahmen direkt übernehmen können, etwa erprobte Formen der Bürgerbeteiligung oder bewährte Kooperationsmodelle zwischen Verwaltung, Unternehmen und Gesellschaft. So lassen sich Lösungen effizient anpassen, ohne jedes Mal bei null anfangen zu müssen. Wir freuen uns einen Beitrag dazu leisten zu können. Uns motiviert die Vision!“
„Welche Vision haben Sie von einer Stadt der Zukunft, in der technologische Innovation und menschliche Bedürfnisse optimal zusammenspielen?“
Prof. Dr. rer. pol. Simone Kauffeld: „Meine Vision einer Stadt der Zukunft ist eine Stadt, die technologiegestützt, aber menschorientiert ist. Technologische Innovationen sollten gezielt eingesetzt werden, um das Leben der Menschen zu verbessern – sei es durch smarte Mobilitätslösungen, nachhaltige Energieversorgung oder digitale Partizipationsplattformen, die Bürgerinnen und Bürger aktiv in die Stadtgestaltung einbinden. Ein zentraler Baustein dieser Zukunft ist für uns die Entwicklung eines CO₂-neutralen Stadtquartiers. Diese Vision spornt uns an. Durch Klimaneutralität schaffen wir nicht nur eine nachhaltige Energie- und Ressourcenbasis, sondern auch die Grundlage für soziale, inklusive und lebenswerte Stadträume. Indem wir Emissionen reduzieren und Energieeffizienz steigern, entstehen Quartiere, die nicht nur ökologisch, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich zukunftsfähig sind.“